Wie laufen eigentlich die ersten 6 Monate innerhalb einer Gastfamilie ab? Melina (19) ist Sozialassistentin und gibt einen Einblick in ihre erste Zeit in unserem Programm. Selbst wenn nicht immer alles so lief wie geplant, konnte sie wertvolle Erfahrungen sammeln und ist dadurch in der Lage euch ihren Anti-Heimweh-Trick zu verraten.
Meine ersten Tage in der Gastfamilie
Ich kann mich noch ganz gut erinnern wie nervös ich am Flughafen in Los Angeles war, weil ich mir nicht sicher war, ob ich meine zukünftige Gastfamilie gleich finde. Diese Nervosität hat sich aber zum Glück schnell gelegt, da sie mich sofort erkannten und mir winkend mit einem bunten Strauß Blumen entgegen kamen. Ein gelungener Start sozusagen.
Leider habe ich dann aber nur 3 Wochen mit meiner Gastfamilie in Los Angeles verbringen können. Wie sich herausstellte, war mein 4 Monate altes Gastkind Maggie noch zu sehr auf ihre Mutter fixiert, weshalb sich die Gastmutter entschied ihren Job erstmal zu pausieren und stattdessen als „Stay-at-home“-Mom mit dem Kind zu Hause zu bleiben. Wir haben uns im Guten verabschiedet und die Gastfamilie war bis zum letzten Tag sehr herzlich zu mir.
Mein Rematch
So kann es gehen und schwupps war ich im Rematch. Zu diesem Zeitpunkt war ich sehr angespannt, weil ich unbedingt in den USA bleiben wollte. Mein Traum war ja schließlich noch nicht erfüllt und mein Ziel, berufsbezogene Erfahrungen in punkto Kindererziehung zu sammeln, zu reisen, mein Englisch zu verbessern und ein aufregendes Jahr zu haben, war noch nicht erreicht.
In dieser Situation haben mich viele liebe Menschen unterstützt. Mein Area Director (=Betreuungsperson vor Ort von apex) hat mir sehr geholfen und stand während der gesamten Rematch-Zeit an meiner Seite. Das US-Team von apex PROaupair hat mir geholfen mein Profil zu überarbeiten und mich auf die neuen Gastfamilien-Interviews optimal vorzubereiten. Andere professional Au Pairs, sowie weitere Mitarbeiter der Organisation haben sich um mich gekümmert und mich motiviert, so dass ich mit all dieser Hilfe dann auch schnell eine neue Gastfamilie gefunden habe.
Von Los Angeles nach Washington D.C.
Nun begann meine Reise aufs Neue und auch von der zweiten Gastfamilie wurde ich sehr liebevoll empfangen. Meine Gastkinder sind Audrey, 9 Jahre alt und Owen, 12 Jahre alt. Beide haben sogenannte „Special Needs“, d.h. einen besonderen Förderbedarf. Audrey hat das Aufmerksamkeit - Defizit - Hyperaktivität – Syndrom (=ADHS) und Owen ist ein Asperger Autist. Als ich angefangen habe mit den beiden zu arbeiten war ich überzeugt, dass ich durch meine Ausbildung gut auf die Arbeit mit Kindern mit besonderem Förderbedarf vorbereitet war. Aber ich kann nicht sagen, dass mir die Arbeit von Anfang an leicht gefallen ist. Audrey hatte gerade die Schule gewechselt und auch ihre Betreuungsperson war nun eine andere. Owen war das absolute Gegenteil von dem, was ich von einem Menschen mit Autismus erwartet hätte. Der Start mit den Kindern war also etwas holprig und es war nicht immer leicht.
Aber da war sie nun - die Chance mein Fachwissen und all meine erlernten Praxismethoden, die ich über die Jahre in meiner Ausbildung gelernt hatte, anzuwenden. Die ersten Monate waren sehr anstrengend, aber mit viel Geduld und einer positiven Grundeinstellung wurde ich letztendlich von den Kindern akzeptiert. Der große Pluspunkt dabei war definitiv, dass die Gasteltern immer hinter mir standen und mich sehr viel Unterstützt haben. Da meine Gastmutter außerdem gelernte Kinderpsychologin ist, konnte ich von ihr zusätzlich viel Neues lernen was den Umgang mit Kindern betrifft.
Mit meinen Gasteltern habe ich außerdem gemeinsam verschiedene Arbeitsweisen ausgearbeitet, die die tägliche Routine mit den Kindern erleichtern und die Kinder währenddessen in ihrer Entwicklung fördern (z.B. Belohnungssysteme). Zusammen mit meiner Gastmutter bin ich zu verschiedenen Seminaren und Weiterbildungen gegangen, um neue Therapiemethoden und Konzentrations-Übungen für die Kinder zu finden.
Wenn ich nun von den Kindern spreche sage ich mittlerweile auch nicht mehr, dass ich mit den Kindern “arbeite” sondern vielmehr, dass ich „Zeit mit ihnen verbringe“. Ich schenke den beiden so viel Aufmerksamkeit, wie ich vorher keinem Kind je schenken musste. Warum? Weil sie es brauchen. Sie wollen gehört und verstanden werden, und nur wenn ich ihnen meine volle Aufmerksamkeit schenke, hören sie mir auch zu.
Klar ist es nicht immer leicht. Es gibt Tage, da ist es einfacher und es gibt genauso Tage, die eine größere Herausforderung sind. Aber genau darum geht es meiner Meinung nach – sich auf die neue Situation einstellen, Herausforderungen annehmen und mit ihnen wachsen. Und ich kann mittlerweile mit Sicherheit sagen, dass die Kinder mich mindestens genauso gern habe wie ich sie und dass ich schon unendlich viel von ihnen lernen konnte.
Nach jedem noch so kleinen oder großen Streit bekomme ich die süßesten Entschuldigungsbriefe, wir haben jede Menge Spaß und erleben immer wieder etwas Neues. Beim gemeinsamen Kochen und Backen mit den Kindern ist schon so manche Eigenkreation entstanden, Owen ist mein persönlicher Museumsführer und Audrey meine Shoppingqueen. Es wird sehr viel gesungen und getanzt, alles auf Video aufgenommen und im Anschluss mit der gesamten Familie geteilt. Ich bin sehr dankbar diese Chance ergriffen zu haben und sehe meine Zeit hier als eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.
Mein Tagesablauf
Ich stehe als erstes früh um 6:30 Uhr auf und mache für alle Frühstück und Lunch. Es hört sich nach viel Arbeit an, aber ist eigentlich in einer halben Stunde erledigt. Nach und nach kommt die Familie die Treppe runter gepurzelt. Ich erinnere die Kinder am Morgen an ihre kleinen “Jobs” beispielsweise den Hund zu füttern. Owen wird von Schulbus abgeholt und ich muss aufpassen, dass er diesen nicht verpasst. Audrey fahre ich morgens zur Schule, danach habe ich Freizeit bis nachmittags um 15 Uhr.
Ich hole die Kinder von der Schule ab und fahre sie zu Freunden, begleite sie zu Therapieeinheiten oder Aktivitäten wie Klettern oder Theaterstunden. Ich helfe ihnen natürlich auch bei den Hausaufgaben und versuche sie in ihrer Freizeit weg vom Computer nach Draußen zu bringen, was meistens leider wirklich gar nicht so einfach ist, sich aber jedes Mal lohnt. Vor allem, wenn die ich sehe wieviel Spaß die Kinder dann an der frischen Luft haben.
Gegen 19 Uhr essen wir dann gemeinsam als Familie Abendbrot, was ich persönlich sehr schätze, da dies der einzige Zeitpunkt ist an dem die gesamte Familie zusammen kommt. Nach dem Abendessen habe ich Freizeit. Ein besonderes Highlight für die Kinder und mich ist immer die Family „Pizza & Movie Night“ jeden Freitagabend.
Ich arbeite insgesamt drei Samstagabende pro Monat von 17 Uhr bis 23 Uhr, damit die Gasteltern mal Zeit zu zweit haben. Meistens koche ich mit den Kindern zusammen, aber manchmal holen wir uns auch etwas zum Essen oder gehen aus. Wir verbringen viele Abende damit lustige Videos aufzunehmen, in denen die Kinder kleine Tanzeinlagen hinlegen, die sie dann an Verwandte und Freunde schicken. Aber ein Kinoabend ist natürlich auch mal drin und hin und wieder laden wir auch Freunde zu einem „Sleepover“ (= Übernachtung) ein.
Kulturelle Unterschiede
Alles ist größer und alles ist anders. Einkaufsläden für Lebensmittel so groß wie Ikea, Apple Produkte wo man nur hinguckt, Häuser sehen aus wie Puppenstuben, Viertel sehen aus wie eine Lego – Landschaft, Haushaltshilfen und ein Au-pair zu haben sind etwas ganz Normales und die Religion eines jeden scheint shoppen zu sein, denn es gibt nichts was du nicht kaufen kannst. Auch ich fliege im Übrigen mit Sicherheit nicht nur mit einem Koffer zurück. Das amerikanische Englisch hat verschiedene Dialekte, im Kino gibt es Popcorn mit flüssiger Butter & Salz, und dass ist auch das einzige worin Salz getan wird. Autofahren wird hier schnell zum Abenteuer und stellt einen manchmal auf die Probe.
Klingt erstmal befremdlich, ist aber alles lediglich eine Frage der Gewohnheit und man gewöhnt sich schneller an den amerikanischen Lebensstil als man denken würde. Mit der Zeit lernt man dann als netten Nebeneffekt zu schätzen, was man an Deutschland so liebt und das man stinknormales Graubrot tatsächlich vermissen kann. Wer hätte das gedacht!
Meine Gastfamilie legt auch viel Wert darauf, mich zu allen familiären oder traditionellen Ereignissen hier einzuladen. Thanksgiving zum Beispiel war ein sehr schöner Feiertag und es war alles, wie man es aus Filmen kennt: Truthahn und Kürbiskuchen standen Punkt 18 Uhr abends auf dem Tisch, und jeder sagt wofür man im vergangenen Jahr dankbar war. Ein sehr schöner Tag, der mir für immer in Erinnerung bleiben wird. Zu Weihnachten durfte ich dann sogar eine Freundin zu uns nach Hause einladen und wir hatten zusammen einen wunderschönen Heiligabend.
Mein Anti - Heimweh – Trick
Stay positive and keep yourself busy.
Natürlich kam schon die ein oder andere Träne hoch, gerade um die Weihnachtszeit oder wenn mal nicht alles rund lief. Aber genau deswegen ist es so wichtig, dass man immer versucht etwas Positives an der Situation zu finden.
So habe ich z.B. jedes Mal wenn mich in der Vorweihnachtszeit ein Gefühl von Heimweh überrumpelt hat, etwas Kleines für mein Weihnachtspaket nach Deutschland gekauft, welches ich dann eine Woche vor Weihnachten nach Hause geschickt habe. Das hat mir die Weihnachtsvorfreude wieder näher gebracht und noch dazu sehr viel Spaß gemacht. Ansonsten bin ich auch sehr viel mit anderen Au-pairs unterwegs. Hier an der Ostküste gibt es Au-pairs von verschiedensten Organisationen aus den verschiedensten Ländern und es ist ganz einfach immer wieder jemanden Neues kennenzulernen. Mittlerweile hat sich sogar so etwas wie ein kleiner fester Freundeskreis entwickelt und zusätzlich dazu bleibe ich über Whatsapp- und Facebook Gruppen mit weiteren professional Au-pairs in Kontakt.
In meiner Freizeit gehe ich regelmäßig ins Fitnessstudio oder verabrede mich zum Essengehen. So lernt man auch noch andere Leute kennen, die mit der ganzen Au-pair Welt nichts zu tun haben. Und wenn mich doch in seltenen Momenten die Langeweile packt, arbeite ich an meinem sogenannten „Scrapbook“ (= Fotoalbum). Ich liebe es in amerikanische Bastelläden zu gehen und Materialien zu kaufen, um meine Fotos von meiner Zeit mit der Gastfamilie, dem Reisen und den Erlebnissen einzukleben und die Fotoseiten anschließend zu gestalten.
Meine Reisen
Während meiner Zeit im Rematch war ich zu Gast in Orange County, Kalifornien und hatte dort eine wunderbare Zeit. Ein anderes Au-pair hat mir die schönsten Strände gezeigt und ich hab auch in dieser eher anstrengenden Zeit die schöne Seite der USA genießen können. Leider hatte ich nicht so viele Gelegenheiten das Land und die Leute der Westküste der USA näher kennenzulernen, aber Los Angeles konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen.
An der Ostküste bei meiner Gastfamilie habe ich dagegen schon viel gesehen. Washington D.C. ist eine wunderbare Stadt. Gepflegt, mit vielen Sehenswürdigkeiten und netten Menschen. New York ist auch nicht zu weit entfernt und ich war hin und weg von dieser einzigartigen Stadt. Jedes Vorurteil von der Stadt die niemals schläft ist wahr und ich hab jede Minute am Times Square, an der Brooklyn Bridge, der Freiheitsstatue oder in einem der billigen Hostesl genossen.
Meine ersten College Kurse habe ich auch in einen New Yorker Collage absolviert und es war ein unvergessliches Wochenende. Umliegende Städte wie Harrisburg, Philadelphia oder Baltimore habe ich natürlich auch schon besucht. Es finden sich auch immer “Travel Buddies” (= Gleichgesinnte, mit denen man zusammen reist) in Facebook-Gruppen und natürlich haben auch meine Freunde vor Ort immer Lust auf die ein oder andere kleine Reise.
Über Weihnachten bin ich mit meiner Gastfamilie in die Universal Studios nach Orlando, Florida geflogen, was bis jetzt für mich das absolute Highlight war. In den Frühlingsferien fliegen wir nach Las Vegas und zum Grand Canyon, welcher mein letztes Reiseziel sein wird. Am Ende meines Jahres kommen mich auch noch meine besten Freundinnen aus Deutschland besuchen, damit ich mit ihnen gemeinsam meinen Reisemonat nutze. Ich bin jetzt schon aufgeregt und freue mich sehr, dass ich meine tollen Erfahrungen dann mit ihnen teilen kann.